29 Juli, 2007

Zetel

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Zetel ist ein Dorf in Friesland, ca. 20 Minuten Fahrzeit von Wilhelmshaven entfernt. Eigentlich quasi um die Ecke, aber wie es so oft im Leben ist, fehlt die Zeit oder man verliert den Kampf gegen den inneren Schweinehund, so daß ein längst überfälliger Besuch bei meiner Schwester und ihrer Familie an diesem Sonntag stattfindet.

Die neue Adresse, des bis dato für uns noch ungesehenen Eigenheims, finden wir sogar auf Anhieb. Lediglich die entsprechende Hausnummer zu finden bereitet etwas Schwierigkeiten, da fast alle Häusele von einem kleinen Vorgarten geziert werden, so daß die meisten Nummern von der Straße aus nicht für uns erkennbar sind. Als Flens gerade den Pkw meines Schwagers entdeckt, war ich natürlich schon abgebogen.

Da wir auf keinen Fall mit der Leiche auf fremde Grundstücke fahren wollen um dort zu Wenden, drehen wir noch eine kleine Ehrenrunde.

Wir parken dann, da die Auffahrt bei meiner Schwester voll ist, in einer Parkbucht direkt an der Straße und laufen die letzten Meter. An die etwas längeren Wege haben wir uns ja mittlerweile schon gewöhnt, damit muß man wohl oder übel leben wenn man ein Auto fährt, welches nicht mehr unbedingt in die Kategorie Kleinwagen fällt. *g*

Nach einem herzlichem Empfang, einer Besichtigungstour durch das Haus und einem Becher Cappo, fragte mein Schwager, wo wir denn geparkt hätten. Na, an der Straße ein Haus weiter, ist doch in Ordnung oder?

Mit einem leicht verschmitzten lächeln erwidert er, das daß völlig o.k. sei und wir uns keinen besseren Parkplatz hätten aussuchen können. Gut – Thema abgeharkt.

Wir Plaudern über Gott und die Welt, sind mittlerweile schon vom Heißgetränk zum gut gekühlten Jever übergegangen (für mich gibt es natürlich nur ein gaaanz, gaaanz dünnes Alster) als es an der Tür Klingelt. In der Regel ist das ja nichts ungewöhnliches, erstrecht nicht mit vier im Haushalt lebenden Kindern.

Als aber meine Schwester von der Tür zurückkehrt spricht ihr Gesicht Bände. O.k., kein normaler Besuch. Anscheinend aber auch nicht die Zeugen Jehovas und auch nicht die GEZ, was bleibt da denn noch übrig?

Ach her je, der “nette” Nachbar war es.

Da würde ein Leichenwagen vor seinem Haus stehen und besorgte Nachbarn würden nun ständig bei ihm anrufen! Ah, ja, ist schon klar, besorgte Nachbarn also…

…ich versuche mir vorzustellen, wie solche Telefonate wohl aussehen könnten.

Ring… ring…. Hallo Herr Nachbar, entschuldigen Sie bitte die Störung, aber vor Ihrem Haus steht ein Bestattungsfahrzeug, ist wer tot? Nein nicht, dann ist ja gut, ich hatte mir schon sorgen gemacht…

Natürlich springe ich sofort auf um den Wagen umzuparken, werde allerdings mitten im Sprung von meinem Schwager gebremst. Hinsichtlich der doch recht großen Chance dem nörgelnden Nachbarn über den Weg zu laufen und mit ihm diskutieren zu müssen, lasse ich mich gerne etwas bremsen. Wir wollen ja eh gleich aufbrechen.

Noch eben aufrauchen, Flens noch eben die letzten Schlückchen Bier austrinken, das dauert ja keine Ewigkeit. Natürlich hatte ich diese Rechnung ohne meinen Schwager gemacht, der zur Zeit Urlaub hat und sich anscheinend unserer Gesellschaft wirklich erfreute, so daß der Flens, ohne daß ich es mitbekomme, zack ein neues Pils vor sich stehen hat.

Ich beschließe angesichts dessen, den Nachbarn dann doch erstmal zu erlösen, schnappe mir den Schlüssel, dackel in Richtung Auto, höre im weggehen noch Flensis guten Ratschlag, der lautet: “lasse Dich auf keine Diskussion ein” und erwidere noch daß ich mir Mühe geben werde.

Der tolle Plan, etwas Zeit verstreichen zu lassen, in der Hoffnung der Nachbar würde sich inzwischen angesichts des Mistwetters in sein Haus zurückziehen, ging natürlich nicht auf.

Besagter tigerte in seinem Vorgarten schon auf und ab. Ein Warnschild konnte ich zwar nicht entdecken, so etwas in der Art wie “hier wache ich” mit nem Bild von ihm drauf, aber er war definitiv auch nicht angekettet. So verzichte ich auf ein freundliches Moin um ihn nicht unnötig zu reizen. Den Schlüssel schon fast im Türschloß, fängt er dann trotzdem an los zu bellen.

-Ist das Ihr Auto, haben Sie kein Ehrgefühl, mit so was rum zu fahren?-

Hmm, ich überlege kurz, wie weit her es nun mit meinem Ehrgefühl ist, komme zu der Erkenntnis, daß wenn diese Eigenschaft in seinen Augen im direkten Zusammenhang mit dem Fahren eines Leichenwagen steht, ich wohl so etwas nicht besitze.

Also entgegne ich ihm freundlich aber bestimmt: nein, habe ich wohl nicht, allerdings würde ich den Wagen jetzt ja wegfahren. Anstatt nun Ruhe zu geben, plustert er sich auf und bellt weiter.

-das müssen Sie auch, der Wagen darf hier nicht stehen!-

Ich kann es nicht lassen und mache ihn darauf Aufmerksam, daß dies ein öffentlicher Parkplatz sei und ich durchaus dort parken dürfe. Dachte, naiv wie ich bin, daß er eventuell bemerkt, daß ich den Wagen nur für ihn umparke. Was soll ich sagen, da habe ich die Rechnung schon wieder ohne den Wirt gemacht…

Der wehrte Herr Nachbar zieht nun sein letztes As aus dem Ärmel, diese in Form eines Stück Papiers, welches ich zwar schon vorher in seinen Händen gesehen hatte, jedoch bisher keinerlei Beachtung geschenkt hatte. Der gute Mann hatte sich mein Kennzeichen notiert…und knurrt mir böse entgegen

-wenn Sie nicht umgehend wegfahren informiere ich das Ordnungsamt-

Umgehend setze ich mich in mein Auto … neee, umgehend nehme ich von meinem Auto Abstand, wünsche dem Herren viel Erfolg bei seinem Telefonat und begebe mich zurück in die nette Runde. Dort verbrachten wir dann noch einen wirklich schönen und recht langen Abend.

PS:
Wir haben immer dafür Verständnis, daß ein Leichenwagen nicht jedem gefällt und daß auch nicht jedem wohl dabei ist. Wir respektieren das und nehmen Rücksicht darauf. Allerdings erwarten wir im Gegenzug einen freundlichen Umgangston, der selbstredend die Worte Bitte sowie Danke beinhaltet.

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